Der Schlehdorn (Prunus spinosa), bekannt für seine blauen Früchte und dichten Dornen, ist eine Pflanzenart, die auf vielseitige Weise vermehrt werden kann. Die Vermehrungsmethoden umfassen sowohl generative als auch vegetative Ansätze, von denen jede ihre eigenen Vorteile bietet.
Generative (sexuelle) Vermehrung:
- Samen (Steinstratifizierung): Die Samenvermehrung ist eine natürliche Methode, bei der die Kerne der Schlehenfrüchte nach deren Reife verwendet werden. Die Früchte reifen im Spätherbst und können dann gesammelt werden. Die Samen benötigen eine Kältebehandlung (Kältestratifikation), um die Keimruhe zu brechen. Nach der Sammlung werden sie gemischt mit feuchtem Sand oder Torf und dann für einen Zeitraum von etwa zwei bis drei Monaten bei Kühlschranktemperaturen gelagert. Anschließend werden die Samen ausgesät, wobei eine Keimung teilweise erst nach einem weiteren Jahr erfolgt.
- Selbstaussaat: In der freien Natur vermehrt sich der Schlehdorn auch durch Selbstaussaat. Die Vögel fressen die Früchte und verteilen die Samen über ihre Exkremente. Diese Methode ist zwar zufällig, sorgt aber für die genetische Diversität der Population.
Vegetative (asexuelle) Vermehrung:
- Wurzelausläufer (Wurzelschnittlinge): Prunus spinosa bildet natürliche Wurzelausläufer, die sich von der Mutterpflanze unterirdisch ausbreiten und am Ende vertikale Triebe entwickeln können. Diese Triebe können vorsichtig von der Mutterpflanze getrennt und als neue Pflanzen verwendet werden. Der beste Zeitpunkt hierfür ist das Frühjahr oder der Herbst, wenn die Pflanzen ruhen.
- Absenker: Hierbei werden junge, biegsame Triebe des Schlehdorns zum Boden hin abgesenkt und an einer Stelle leicht eingeschnitten und dann im Boden vergraben, wo sie Wurzeln bilden sollen. Nach der erfolgreichen Wurzelbildung – was einige Monate dauern kann – wird der bewurzelte Trieb von der Mutterpflanze getrennt und kann als eigenständige Pflanze eingepflanzt werden.
- Stecklinge: Obwohl diese Methode bei Schlehdorn weniger effektiv ist, können auch holzige Stecklinge genommen werden. Sie werden im Herbst geschnitten und in Anzuchtsubstrat gepflanzt, wo sie bis zum Frühling Wurzeln entwickeln sollen. Hohe Luftfeuchtigkeit und konstante Bodenfeuchte sind wichtig, um die Bewurzelung zu fördern.
Empfehlungen für die Anzucht:
Unabhängig von der Vermehrungsmethode benötigen junge Schlehdornpflanzen Pflege und Schutz, insbesondere in den frühen Wachstumsphasen. Sie sollten regelmäßig gegossen und vor zu starker Sonneneinstrahlung und Frost geschützt werden, bis sie ein kräftiges Wurzelsystem ausgebildet haben und widerstandsfähig genug sind, um an ihren endgültigen Standort umgepflanzt zu werden.
In der Landschaftsgestaltung, wie bei der Anlage von Hecken, wird meist die vegetative Vermehrung bevorzugt, da sie eine gleichmäßigere Wuchsform und Entwicklung garantiert und oft schneller zu robusten Pflanzen führt. Die generative Vermehrung wird meist aus Gründen der Erhaltung der genetischen Vielfalt oder für Züchtungszwecke eingesetzt.
Anwendung
Um die verschiedenen Vermehrungsmethoden anzuwenden, kann folgendermaßen vorgegangen werden:
1. Samen (Steinstratifizierung):
Anwendungsbeispiel:
- Im Herbst die reifen Schlehenfrüchte sammeln.
- Die Früchte aufbrechen und die Steine entnehmen.
- Die Steine mit feuchtem Sand in einem luftdurchlässigen Beutel mischen.
- Diesen Beutel für eine Stratifikationsperiode von etwa zwei bis drei Monaten in den Kühlschrank legen.
- Die stratifizierten Steine in Saaterde aussäen und feucht halten.
- Die Keimlinge pflegen, bis sie stark genug sind, um ins Freiland verpflanzt zu werden.
Dieser Prozess eignet sich gut für die Kultivierung einer größeren Menge von Schlehdornpflanzen, die zum Beispiel für die Anlage einer naturnahen Hecke verwendet werden können.
2. Selbstaussaat:
Anwendungsbeispiel:
- Lassen der reifen Früchte am Strauch, um Vögel anzulocken.
- Die Vögel fressen die Früchte und verbreiten die nicht verdauten Samen über ihre Ausscheidungen.
- Beobachtung der potentiellen Keimlingsorte in der näheren Umgebung der Schlehdornsträucher im folgenden Frühjahr.
- Die spontan gekeimten Pflanzen können später umgesiedelt oder direkt an Ort und Stelle weiterwachsen lassen werden.
Dies kann zur Aufforstung oder Renaturierung von Landflächen beitragen, indem die Pflanzen dort wachsen, wo sich die Samen natürlich ansiedeln.
3. Wurzelausläufer (Wurzelschnittlinge):
Anwendungsbeispiel:
- Im Frühjahr junge, aus dem Boden sprießende Triebe ausfindig machen.
- Vorsichtig die Erde rund um den Trieb entfernen, um den verbundenen Wurzelausläufer freizulegen.
- Den Ausläufer von der Mutterpflanze trennen und in einen Topf mit geeigneter Erde pflanzen.
- Pflege der neuen Pflanze, bis sie stark genug ist, um ausgepflanzt zu werden.
Diese Methode erlaubt eine schnelle Vermehrung der Bestände für die Bepflanzung einer Hecke oder eines Schutzgürtels.
4. Absenker:
Anwendungsbeispiel:
- Im Frühjahr einen biegsamen Trieb des Schlehdorns auswählen und zum Boden hin abbiegen.
- Mit einem scharfen Messer einen schrägen Einschnitt im unteren Teil des Triebs vornehmen.
- Den eingeschnittenen Teil des Triebs in die Erde eingraben und fixieren, z.B. mit einem Stein.
- Regelmäßige Bewässerung sicherstellen, bis sich Wurzeln gebildet haben.
- Trennen des bewurzelten Triebs von der Mutterpflanze und Eintopfen oder direkte Pflanzung am gewünschten Standort.
Absenker können bei der Schaffung von Mutterpflanzenbeeten von Sortenrassen genutzt werden, um die genetischen Eigenschaften einheitlich zu halten.
5. Stecklinge:
Anwendungsbeispiel:
- Im Herbst kräftige, holzige Zweige des Schlehdorns schneiden, wobei jeder Steckling etwa 20-30 cm lang sein sollte.
- Die unteren Blätter entfernen und die Stecklinge in ein Gemisch aus Torf und Sand oder spezielle Anzuchterde stecken.
- Die Stecklinge durch eine Plastikfolie abdecken, um die Luftfeuchtigkeit hoch zu halten.
- In den folgenden Monaten regelmäßig gießen und auf Wurzelbildung kontrollieren.
- Nach erfolgreicher Bewurzelung und sobald die Pflänzchen kräftig genug sind, an den endgültigen Standort pflanzen.
Stecklingsvermehrung ist eine Methode, um spezielle Zuchtsorten des Schlehdorns, wie z.B. für Ziergehölze, zu vermehren und dabei die exakten Eigenschaften der Mutterpflanze zu erhalten.
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